Trekkers World KANADISCHES WINTERMÄRCHEN Rudolf J. Keller Trekkers World Germany – January/February 2006 Zieh dich warm an, es ist saukalt hier ? mailt mir Diane noch kurz vor meinem Abflug nach Ontario.Die Temperaturen im Januar und Februar erreichen leicht -25° Celsius, und der eisige Wind lässt sie oft noch um einige Grade tiefer sinken. Doch dann die Überraschung, in Toronto scheint die Sonne,und es ist mit drei Grad relativ warm. Auch gut. In Ontario, mit über 1,1 Millionen Quadratkilometern die zweitgrößte Provinz Kanadas,fast so groß wie Frankreich, Deutschland und Italien zusammen, leben mit 11,6 Millionen weniger Menschen als in Bayern.Ontario grenzt im Norden an die Hudson und die James Bay,im Osten an die Provinz Quebec, im Süden an den St. Lorenz Strom und die Großen Seen,sowie im Westen an die Provinz Manitoba.Ontario ist das irokesische Wort für »schimmerndes Wasser«.Die rund 250.000 Seen liegen im Winter allerdings unter einer dicken Eisdecke, die dichten Wälder sind tief verschneit. Auf dem Weg in den Algonquin Park übernachten wir im Severn River Inn,einem gemütlichen Haus im Großmutterlook, das eine lange und bewegte Vergangenheit hat. Es besteht seit 1858 und rühmt sich als »The oldest operating authentic Country Inn in all of Muskoka«. Muskoka liegt im Herzen von Cottage Country,einer ausgedehnten Region mit klaren Seen, hohen Wäldern und bizarr zerklüfteten Felsformationen. Über die schneebedeckten Straßen des Algonquin Provincial Parks ? er liegt rund 300 Kilometer nördlich von Toronto und ist der größte und älteste Park (seit 1893) in Ontario ? erreichen wir die Algonquin Log Cabin, ein kleines, rustikales Blockhaus am Surprise Lake. Dort erwarten uns Kristin und Andrew, mit denen wir während der nächsten Tage die herrlich stille Winterlandschaft erkunden werden. Bevor wir zur ersten Wanderung aufbrechen versucht Andrew,der rothaarige,quirlige Kanadier, uns die Grundbegriffe des Schneeschuhwanderns beizubringen.Zunächst noch wie lahme Enten watscheln wir zum Ufer des Surprise Lake.Auf dem See geht es dann schon recht flott dahin,und wir beglückwünschen uns als Naturtalente. Andrew lässt unseren Stolz jedoch nicht in den Himmel wachsen und treibt uns am anderen Seeufer eine kleine Bergkuppe hinauf, an der wir gehörig ins Schwitzen kommen. Oben belohnt uns dafür freilich eine grandiose Aussicht auf den Surprise Lake mit seiner in der Sonne glitzernden Schneedecke. Wesentlich schwieriger wie der Aufstieg gestaltet sich dann der Abstieg mit den sperrigen Schneeschuhen. Mit mehr als einem unterdrückten Fluch auf den Lippen schlittern wir den Hang hinunter ? und sind am Ende froh, als wir mit heilen Knochen wieder flacheres Gelände erreichen. Mit den letzten Sonnenstrahlen kommen wir in dem gemütlichen Blockhaus an. Nach einem Abendessen mit reichlich Rotwein kommt Übermut auf. Andrew stimmt mit unserer Unterstützung ein schauerliches Wolfsgeheul an. Er hofft wohl, die scheuen Vierbeiner zum Antworten herauszufordern. Aber die Wölfe haben offensichtlich keine Lust zum Mitheulen ? oder uns als Laiendarsteller erkannt. Am nächsten Tag erkunden wir mit Langlaufskiern die Umgebung der Log Cabin. Die Stille des Winterwaldes wird nur von den Vögeln unterbrochen ? vom Zwitschern der Meisen, dem Krächzen der Raben und der bunten Eichelhäher sowie dem Klopfen der Spechte. Uns dagegen verschlägt es schier die Sprache vor Begeisterung über die glitzernde Wunderwelt. Nach dem ungewohnten »cross-country-skiing« genießen wir Kristin?s Kochkünste. Bevor wir aber in der mit Holz geheizten Sauna oder am knisternden Feuer am offenen Kamin faulenzen dürfen, treibt uns Andrew noch einmal hinaus auf den See. Eisfischen ist angesagt. Erst nachdem wir mit dem Handbohrer mühsam ein Loch in die 50 Zentimeter dicke Eisdecke gebohrt haben, können wir die Köder in den Surprise Lake halten.Doch weder Profis noch Anfänger haben heute Anglerglück. Eine Winterreise in Ontario wäre nicht komplett ohne Dog-sledding,dem Hundeschlittenfahren. In South River bringt uns Cindy in Kürze bei,wie wir die Huskys vor den Schlitten spannen, sie mit den Kommandos »ready, let?s go« für den Start, »haw« für links, »gee« für rechts und »whuuu« für Stopp durch den Winterwald lenken müssen. Ohrenbetäubender Lärm empfängt uns am Kennel, dem Zwinger der Huskys. Jeder Hund hat wie Weiland Dionysos eine Tonne als private Unterkunft. Die Tiere bersten vor Energie und Vorfreude, zerren an den Leinen und bellen wie verrückt.Wer für das Gespann ausgewählt wurde,hört sofort auf mit dem Gebell und lässt sich lammfromm zu den Schlitten bringen, die an einem Baum fest angebunden sind. Dann heißt es jeden Hund auf seinem Stammplatz anschirren,die Namen merken,die Huskys ansprechen, streicheln und mit »good dog« loben ? oder aber auch »Roldy no« rufen, wenn dieser versucht, seinen Kompagnon zu beißen. Und dann Bremse los, und ab geht es mit sechs Hundestärken auf den Waldtrail. In Haliburton Forest treffen wir Peter Schleifenbaum, der mit seiner Frau Elke und den gemeinsamen Kindern seit 16 Jahren das »Haliburton Forest & Wildlife Reserve« betreibt.Auch hier ist Dog-sledding angesagt. Die Schlittenhunde sind getrennt nach »girls« und »boys« in überdachten Kennels untergebracht. In ihrer freien Zeit spielen sie in einem Freigehege.Man merkt sofort, dass sie von Elke, dem Guide Dave und den Betreuern mit Fürsorge behandelt werden und ausreichend Streicheleinheiten bekommen. Es gibt kein aggressives Bellen und Beißen beim Anspannen. Ganz wild aufs Losrennen ziehen und zerren die Hunde am fest eingebremsten Schlitten. Dann aber heißt es Bremse los ? und auf geht die wil- TEXT & FOTOS RUDOLF J. KELLER de Jagd durch den verschneiten Winterwald. Bald verlassen wir den Waldtrail und lenken unsere Gespanne über das makellose Weiß der Seen mit klangvollen Namen wie Macdonald, Marsh, Black und Clear.Wer freilich seine Hunde nicht fest im Griff hat, geht schnell zu Fuß, und die vierpfötigen Zugmaschinen suchen das Weite. Auch beim stetigen Auf und Ab durch den Winterwald heißt es höllisch aufpassen,um die Huskys sicher durch das Labyrinth der Bäume zu lenken ? und den Schlitten nicht gleich am nächst besten zu zerlegen.Erstwenn die Tiere hundemüde sind, kann der Freizeitmusher ganz entspannt die traumhafte Winterlandschaft genießen. ¦ TW-EMPFEHLUNG Im Januar und Februar ist es sehr kalt in Ontario, durch den schneidenden Wind oft -25° Celsius und darunter. Also,warme Kleidung mitnehmen sowie winddichten Anorak und Überhose. Skibrille nicht vergessen. ANREISE Air Canada LITERATUR Leonie Senne, Kanada, Osten (mit herausnehmbarer Karte), Iwanowski?s Reisebuchverlag, 25,95 Euro KARTE Busche Map, Ontario; Official Road Map Ontario, Ministry of Tourism, www.mto.gov.on.ca/english/traveller/map VERANSTALTER Hauser exkursionen, Tel.: 089-235006-0, Fax: 089-235006-99, [email protected], www.hauser-exkursionen.de, bietet ab Januar 2006 vier Termine an SURF-TIPP www.voyageurquest.com